Streckenhandel ins EU-Ausland

Der Streckenhandel erfreut sich sowohl im B2B als auch im B2C Onlinehandel zunehmender Beliebtheit. Die Gründe dafür sind einleuchtend.

Denn beim Dropshipping wird die Ware direkt vom Lieferanten des Onlinehändlers an seine Kunden versendet. Dadurch entfällt das Handling der Ware beim Onlinehändler (Einlagern / Kommissionieren / Versenden) , was naturgemäß Zeit und Kosten spart.

Solange die Ware dabei keine Ländergrenzen überschreitet, ist die steuerliche Abrechnung dieses Verfahrens relativ unproblematisch.

Als Steuerberater für Onlinehändler stellen wir jedoch verstärkt fest, dass Internethändler Ihre Ware auch an Endkunden im EU Ausland verkaufen, bspw. über Plattformen wie Amazon Marketplace oder Ebay.

Werden diese grenzüberschreitenden Verkäufe ebenfalls im Rahmen des Drop-Shippings abgewickelt, wird es steuerlich höchst kompliziert.

Die Ursache hierfür ist erstaunlicherweise ein Gesetz, das den Warenverkehr in der EU eigentlich erleichtern soll, die sogenannte Versandhandelsregelung.

I. Die Versandhandelsregelung bei Lieferung an EU Endkunden

Hintergrund: Wenn Onlinehändler selber Ware an Endkunden ins EU Ausland versenden, können Sie diese Lieferungen bis zum Erreichen von länderspezifischen Lieferschwellen in der Regel mit deutscher Umsatzsteuer abrechnen.

Die hierfür maßgeblichen Lieferschwellen sind von EU Land zu EU Land unterschiedlich, und liegen bis zum 30.6.21 im Bereich zwischen 28.000 Euro und 100.000 Euro je Land und Jahr.

Hinweis:Ab dem 1.7.2021 gelten mit Umsetzung des Mehrwertsteuerdigitalpakets noch engere Grenzen. Die länderspezifischen Lieferschwellen entfallen und ab Überschreitung einer Lieferschwelle von 10.000 Euro für Versandlieferungen an alle EU Auslandskunden ohne gültige Umsatzsteueridentifikationsnummer müssen diese mit der Umsatzsteuer des Ziellands versteuert werden. Im Gegenzug kann jedoch gegebenenfalls auf eine Registrierung im EU Ausland verzichtet werden, wenn die im EU Ausland zu versteuernden Umsätze über ein System der deutschen Finanzverwaltung gemeldet werden.

Ihr Vorteil: Durch diese Versandhandelsregelung ersparen sie sich die aufwendige steuerliche Registrierung im EU Ausland, sowie die Abgabe und Abführung der Umsatzsteuer im EU Ausland, sofern sie die aktuell gültigen Lieferschwellen nicht überschreiten.

Beispiel

Ein Powerseller kauft bei seinem Vorlieferanten 4 Artikel für je 80 Euro netto ein und verkauft sie für 100 Euro zzgl. Umsatzsteuer an Endkunden in den Niederlanden, Italien, Öster-reich , Spanien. Er versendet die Ware selbst an seine Endkunden im EU Ausland. Die Lieferschwellen sind noch nicht überschritten.

Ergebnis

Der Internethändler kann die Versandhandelsregelung in Anspruch nehmen und sämtliche Umsätze mit 19 % deutscher Umsatzsteuer abrechnen. Aus diesem Umsatz resultiert keine Pflicht zur steuerlichen Registrierung und Abgabe von Steuererklärungen im Ausland.

Einnahmen NL: 119,00 Euro
Einnahmen IT: 119,00 Euro
Einnahmen AT: 119,00 Euro
Einnahmen ES 119,00 Euro
./. Zahlung deutsche Umsatzsteuer aus Warenverkauf -76,00 Euro
./ Wareneinkauf brutto -380,80 Euro
Erstattung Vorsteuer aus Wareneinkauf 60,80 Euro
Gewinn 80,00 Euro

II. Korrekte aber sehr komplizierte Abrechnung des grenzüberschreitenden Streckengeschäfts

Die Versandhandelsregelung gilt jedoch vielfach nicht, wenn Ihr Lieferant die Ware direkt an ihren Endkunden ins EU Ausland versendet (Dropshipping Fall). In diesem Fall sind Sie nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers in der Regel ab der ersten Lieferung im EU Ausland umsatzsteuerpflichtig.

Das bedeutet

  • Der Onlinehändler muss sich im EU Ausland steuerlich registrieren.
  • In den Rechnungen muss die ausländische Umsatzsteuer ausgewiesen werden
  • Es müssen im EU Ausland Umsatzsteuererklärungen und ggf. Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben werden.
  • Die Umsatzsteuer muss im EU-Ausland fristgerecht gezahlt werden, andernfalls drohen teils heftige Strafzuschläge.
  • Internethändler müssen mit Ihren Lieferanten die Wareneinkäufe je Zielland separat abrechen, und zwar mit ihrer jeweiligen USt ID Nummer des Ziellandes.
  • Es müssen Nachweise erbracht werden, das die Ware auch tatsächlich ins EU Ausland gelangt ist

Bezogen auf unseren Beispielfall ergeben sich bei Nutzung des Drop-Shipping Verfahrens aus Sicht des deutschen Umsatzsteuerrechts folgende Konsequenzen:

Abwandlung 1 (Dropshipping: korrekte Abrechnung)

Fall wie im 1. Beispiel. Jedoch wird diesmal die Ware vom Lieferanten des Internethändlers direkt an die Endkunden im EU Ausland verschickt (genzüberschreitendes Dropshipping).

Ergebnis Abwandlung 1:

  • Der Onlinehändler muss sich vorab in allen 4 Ländern steuerlich registrieren lassen und eine Umsatzsteuer-ID Nummer beantragen.
  • Er muss von seinen Lieferanten 4 Netto Rechnungen mit der jeweiligen ausländischen Ust ID Nummer anfordern.
  • Er muss in seinen Rechnungen den ausländischen Kunden jeweils die gültige ausländische Umsatzsteuer in Rechnung stellen:
    • Niederlande: 21% auf 100 Euro Warenwert = 21 Euro
    • Italien: 22% auf 100 Euro Warenwert = 22 Euro
    • Österreich: 20% auf 100 Euro Warenwert = 20 Euro
    • Spanien: 21% auf 100 Euro Warenwert = 21 Euro
  • Es müssen in allen 4 Ländern zusätzlich Umsatzsteuererklärungen abgeben und Umsatzsteuer abführt werden.

Zahlenmäßig ergibt sich folgendes Bild

Einnahmen NL: 121,00 Euro
Einnahmen IT: 122,00 Euro
Einnahmen AT: 120,00 Euro
Einnahmen ES 121,00 Euro
./. Zahlung Umsatzsteuer NL -21,00 Euro
./. Zahlung Umsatzsteuer IT -22,00 Euro
./. Zahlung Umsatzsteuer AT -20,00 Euro
./. Zahlung Umsatzsteuer ES -21,00 Euro
./ Wareneinkauf netto -320,00 Euro
Gewinn 80,00 Euro

Der Gewinn entspricht dem Ursprungsfall: Der hierfür notwendige bürokratische Aufwand ist jedoch ungleich höher, da nun mit Finanzämtern in 4 weiteren Ländern „Geschäftsbeziehungen“ aufgenommen werden müssen. Zudem müssen die dargestellten Besonderheiten ( Rechnungsstellung/ gesonderter Wareneinkauf / unterschiedliche Umsatzsteuersätze ) technisch und kaufmännisch sauber abgebildet werden.

III. Die Folgen einer falschen Abrechnung beim Drop-Shipping

Vielen Onlinehändler sind die steuerlichen Besonderheit beim Streckengeschäft jedoch völlig unbekannt. Daher wenden Sie auch beim grenzüberschreitenden Dropshipping fälschlicherweise die Versandhandelsregelung an, und fakturieren ihre Lieferungen an Endkunden im EU Ausland mit deutscher Umsatzsteuer.

Dieser Fehler ist selbst für Steuerberater vielfach kaum auf den ersten Blick zu erkennen, insbesondere wenn weder in den Einkaufsbelegen des Vorlieferanten, noch in den Verkaufsrechnungen des Onlinehändlers auf das Streckengeschäft hingewiesen wird.

Daher ist es nicht unwahrscheinlich, dass derartige Fehler erst viele Jahre später aufgedeckt werden, bspw. im Rahmen einer Prüfung. Dann aber droht eine böse Überraschung, wenn alle grenzüberschreitenden Verkäufe der Vergangenheit mit Zins und Zinseszins ein weiteres Mal versteuert werden müssen:

Abwandlung 2 (Dropshipping: falsche Abrechnung ):

Der Internethändler bestellt die Ware fälschlicherweise bei seinem deutschen Vorlieferanten mit seiner deutschen USt ID Nummer. Daher stellt der Lieferant 360 Euro + 68,40 Euro deut-sche Umsatzsteuer in Rechnung. Sie rechnen gegenüber den Endkunden im EU- Ausland fälschlicherweise 400 Euro +76 deutsche Umsatzsteuer ab. Die Ware wird wie in Abwandlung 1 von seinem Vorlieferanten direkt an seine Endkunden im EU Ausland versendet wird.

Ergebnis Abwandlung 2:

Der Internethändler muss zusätzlich im EU -Ausland Umsatzsteuer (siehe unten) abführen. Die gezahlte deutsche Umsatzsteuer (76 Euro) wird das Finanzamt im Gegenzug jedoch nicht ohne weiteres erstatten, da Sie in den Verkaufsrechnungen fälschlicherweise ausgewiesen wurde. Außerdem muss der Onlinehändler eine zusätzliche Strafsteuer von 68,40 Euro an den deutschen Fiskus zahlen, weil er gegenüber seinem Lieferanten die „falsche“ USt- Id Nummer verwendet haben. Somit ergibt sich neben dem immensen bürokratischen Aufwand folgendes zahlenmäßiges Ergebnis

Einnahmen NL: 119,00 Euro
Einnahmen IT: 119,00 Euro
Einnahmen AT: 119,00 Euro
Einnahmen ES 119,00 Euro
./. Zahlung Umsatzsteuer DE (da fälschlicherweise ausgewiesen) -76,00 Euro
./. Zahlung Umsatzsteuer NL -21,00 Euro
./. Zahlung Umsatzsteuer IT -22,00 Euro
./. Zahlung Umsatzsteuer AT -20,00 Euro
./. Zahlung Umsatzsteuer ES -21,00 Euro
./ Wareneinkauf netto -320,00 Euro
Strafsteuer auf Wareneinkauf , da falsche USt ID Nummer verwendet -60,80 Euro
VERLUST -64,80 Euro

IV. Fazit grenzüberschreitendes Drop-Shipping

Die steuerlich korrekte Abbildung des grenzüberschreitenden Drop Shippings bei Versand an Endkunden im EU Ausland ist aufwendig und kann im Fehlerfall mit erheblichen finanziellen Belastungen verbunden sein.

Durch eine gezielte Gestaltung ist es aber dennoch möglich, den bürokratischen Aufwand und die steuerlichen Risiken für Onlinehändler zu minimieren.

Für eine individuelle Beratung zum Thema steuerliche Besonderheiten beim Drop Shipping stehen unsere Steuerberater gerne zur Verfügung.

Unser Ansprechpartner für Onlinehändler:

th

Diplom Kaufmann Torsten Hecker
Steuerberater
Tel: +49 5241 9877-0 mail: hecker@stbwp.com